Tuesday, July 15, 2008

No Means What? Die Sicht der USA auf das „Nein“ der Iren

Katrin Schmidt, Alexander Graf Lambsdorff, Joseph Laudien

Washington D.C. – die Hauptstadt der USA, weltpolitische Hochburg – Networking wird hier groß geschrieben. Eine wichtige Rolle im politischen Trubel spielen vielzaehlige Think Tanks unterschiedlichster politischer Lager.

15. Juli 2008: „No Means No: How Ireland Blocked the European Union’s Lisbon Treaty“, zu Gast Declan Ganley (Anführer und Sponsor der irischen “No”-Campaign) bei The Heritage Foundation (konservativer Think Tank). Ganley ist in Form, er erklärt den Anwesenden (hauptsächlich Amerikaner, viele Rentner, noch mehr Praktikanten) seine Motivation. Er sei Entrepreneur, Familienvater, er sei an sich für die europäische Idee, aber: was zu weit geht, geht zu weit. Stolz ist er, dass seine Kampagne erfolgreich war. Er spricht von „democracy“, die gesiegt hat. Und alle klatschen brav. Alle, bis auf einer. Der deutsche Promovend an der Georgetown University kontert, denn er kennt sich aus, mit dem vielzitierten „Demokratiedefizit der EU“. Das Europäische Parlament sei sehr wohl gewählt, der Rat ist rechenschaftspflichtig, die EU zwar durchaus ein bürokratischer Haufen, der Vertrag sei aber vor allem dazu da, dies zu vereinfachen. Seine Sitznachbarn gucken verstört um sich, Ganley ignoriert die Frage und spricht wieder vom Sieg der Demokratie. Tosender Applaus. Deniz Alkan schüttelt den Kopf.

Beim anschließenden Buffet klopfen ihm die ein oder anderen Besucher lobend auf die Schulter, ein älterer Mann sucht die Diskussion mit ihm. Er spricht auch von viel zu viel „Bürokratie“, kritisiert den Souveränitätsverlust und vergleicht die EU im gleichen Atemzug mit der ehemaligen Sowjetunion. Dem jungen Politikwissenschaftler bleibt das Sandwich im Halse stecken. Im Wissen, den Alten nicht überzeugen zu können, lässt er sich trotzdem auf eine Endlosdiskussion ein.

Ein Tag später im The Willard InterContinental Hotel: Das D.C.-Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat Alexander Graf Lambsdorff zum gleichen Thema eingeladen. „Europe’s Irish Earthquake“ ist diesmal Titel der Veranstaltung. Nach dem Essen verabschieden sich bereits die ersten Gäste. Dann tritt der liberale EU-Parlamentarier vors Mikrofon. Er erklärt wie es aus seiner Sicht zu dem „Nein“ kam. Die irische Regierung habe sich selbstsicher auf die pro-europäischen Wähler verlassen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit der Gegenkampagne überlassen. Diese habe das „Demokratiedefizit“ bemängelt, von Kosten und unüberschaubarer Verwaltung gesprochen und zusätzlich Plakate mit Babies, denen die EU Chips implementieren wolle, im ganzen Land aufgehängt. Erschreckend eindrucksvoll.

Sein Ausblick lautete ganz nüchtern: abwarten und abwägen, wann und ob die noch ausstehenden Länder den Vertrag ratifizieren, ob die Iren ein weiteres Referendum durchführen und ob sich dann die Meinung ändere, ob man das europäische Projekt mit einer irischen Sondermitgliedschaft weiter vorantreiben könne… es gebe viele Möglichkeiten. Die EU sei ohnehin nicht mit den Vereinigten Staaten zu vergleichen. Es gebe bereits eine „EU a la Carte“ (EURO, Schengen, Sozial-Charta…). Auf eine Frage, antwortete Lambsdorff, dass die Iren selbstverständlich das Recht haben, „Nein“ zu sagen. Weitere Fragen aus dem Publikum waren wie üblich eher unreflektiert: Ob Russland der EU beitreten wolle? Ob die EU nicht an die Sowjet Union erinnere (schon wieder!)? Um Punkt 2 Uhr verließen die Anwesenden dann die Veranstaltung. Thank you Alexander – for trying!

No comments: